Phasenwechselmaterial (PCM) im Fassadenbau

Speicherung von thermischer Energie im Fassadenbau – Einsatz von Phasenwechselmaterial in der Gebäudehülle

Dr.ing Werner Jager  –  ai3

Es wird oft diskutiert, in welchem Umfang Phasenwechselmaterialien zur Verbesserung des Klimas im Raum beitragen können.

PCM in die Pfosten-Riegel-Fassade eines experimentellen Wintergartenanbau

Bild 1.1: Prinzipielle Darstellung des Anbaus und des PCM Einsatzes und Bestimmung des solaren Eintrags

ai³ machte den Selbsttest und baute PCM in die Pfosten-Riegel-Fassade eines experimentellen Wintergartenanbaus.

PCM-Kassette Messsensoren und Einbaugesamt

Bild 1.2: PCM Kassette, Messsensoren und Einbau (Bilder: ai³)

Das auf Salzhydrat basierte PCM ist in PE-Rohre verpackt, welche einen Durchmesser von 18 mm aufweisen. Für den Versuch wurden 10 dieser Rohre zu einer Kassette verbunden, welche dann in den Hohlraum des Pfostenprofils der Fassade eingeschoben werden konnten.
Die PCM-Kassetten sind mit Sensoren zur Messung von Oberflächensensoren ausgestattet, um die Temperaturen innerhalb und außerhalb der Kassette untersuchen zu können. Grund hierzu ist die Frage, ob das PCM überhaupt vollständig aufschmilzt und wenn ja, welche Prozesse gehen diesem Schmelzen voraus.

PCM in der Fassade Systemschnitt

Bild 2: PCM Kassette im Pfosten der Fassade, Position der Messsensoren (Systemschnitt)

Ein weiterer Untersuchungsgegenstand ist die Frage, ob mit einfachen 2D-Wärmestrom-Programmen eine hinreichend genaue Prognose des realen Temperaturverlaufes möglich ist. Mittels der Softwarelösung FLIXO der Schweizer Infomind AG wurden die erforderlichen Kenngrößen wie Wärmedurchgangskoeffizienten U-Wert und lineare Wärmeleitung bestimmt.
Mit den dann real gemessenen Innen- und Außenlufttemperaturen wurde dann die Lufttemperatur im Profil berechnet und mit der Messung verglichen.

Messreihe 26 und 27 Mai zu Berechnung

Bild 3: Lufttemperatur im Pfosten – Vergleich Messung zu Berechnung für den 26.Mai 2013

Bei der Annahme „keine solare Einstrahlung“ auf die inneren Oberflächen der Pfosten und den Standardwärmeübergangswerten ergibt sich eine hinreichend genaue Übereinstimmung zwischen den Messwerten (+17°C ) und dem berechneten Wert der Lufttemperatur im Pfostenprofil, welche bei + 16,8°C lag. Dies ist gültig für den Messzeitpunkt am 26.Mai, einem kalten, regenreichen Tag südlich von D-Ulm.
Aber auch in 2013 gab es schon sehr sonnenreiche, warme Tage. Ein Beleg hierfür ist die Messung vom 15. bis 24. Juni 2013 mit Außenlufttemperaturen bis +35°C über 6 aufeinanderfolgenden Tagen. Der untersuchte Raum wurde in diesem Zeitraum nicht verschattet und auch die im Raum vorhandenen Öffnungen (Fenster und Schiebesystem) wurden in diesem Zeitraum nicht geöffnet, um eine maximale Beladung der insgesamt 30 kg PCM im Fassadenprofil zu erreichen.

PCM Messreihe 16 und 17 Juni 2013

Bild 4: Lufttemperatur im Pfosten – Vergleich Messung zu Berechnung für den 26.Mai 2013

Am Tag 1 und 2 der Untersuchung kann das PCM noch teilweise in der Nacht regenerieren. Tagsüber kann wieder Wärmeenergie aufgenommen und gespeichert werden. Am Tag 3 der Messung erhöht sich die Raumlufttemperatur jedoch über das Temperaturniveau des Messpunktes innerhalb der PCM-Kassette. In der Folge wird das PCM vom Außenwärmestrom, der solaren Einstrahlung und nun auch durch den Innenwärmestrom beladen und bei einem Schmelzbereich zwischen 26 und 30 °C ist nun jener Punkt erreicht, an welchem das PCM in den Phasenwechsel geht. Die Temperaturen innerhalb der PCM-Kassette sind in der Folge annähernd stabil zwischen 26 und 28°C an den Tagen 3 und 4.

Waermeeintrag auf PCM im Profil

Bild 5: Wärmeaufnahme und –Abgabe der PCM-Kassette im Profil

Am Tag 5 ist das PCM nun vollständig beladen und im Zustand „flüssig“. Deutlich am Temperaturverlauf in der PCM-Kassette zu erkennen, welcher nun nahezu ohne zeitliche Verzögerung den Oberflächentemperaturen des Pfostenprofils folgt und hier Werte bis +37°C erreicht.
Eine überschlägige Ermittlung des Heizenergiebedarfs, mit der Software-Lösung Archiwizard von RayCreatis, ergibt jährlich Einsparungen von bis zu 5% und mehr bei Verwendung von PCM. Noch deutlicher sind die Einsparungen, wenn der Raum gekühlt wäre. In der Kühlperiode werden Einsparungen von 15% und mehr ermittelt. Der Raum hat ein Volumen von ca. 30 m³.
Die dritte Messreihe vom 02. bis zum 6. August 2013 widmete sich der Fragestellung in wie weit:
a.    Passive Nachtauskühlung mittels Fenstern in Kipp-Stellung das Raumklima beeinflussen und welche Rolle und Eigenschaften hier die mit PCM gefüllten Profile der Pfosten-Riegel-Fassade spielen können und
b.    welchen Einfluss eine außen liegende Beschattung haben kann, da die vorangehenden Versuchsreihen ohne Beschattung der Fassade durchgeführt wurden.

DK Fenster in WICTEC 50

Bild 6: Pfosten-Riegel- Fassade mit integriertem Fenster in Kipp-Stellung

Bedingt durch die Integration des Fensterflügels in die Pfosten-Riegel-Fassade reduziert sich am messtechnisch erfassten Objekt der nominell verfügbare aerodynamische Lüftungsquerschnitt pro Fenster von 0,24 m² auf ca. 0,1 m².
Das in Bild 1.1. dargestellte Fassadenelement hat in Feld 2 und 4 jeweils eines dieser Dreh-Kipp-Fenstersysteme integriert. Somit entspricht dies einer maximalen aerodynamisch wirksamen Lüftungsfläche von ca. 0,2 m² über diese Öffnungseinrichtungen. Zusätzlich kann der Raum durch eine Schiebkonstruktion belüftet werden. Jedoch blieb diese während der Messreihen geschlossen.
Eine Stellgröße für die Behaglichkeit des Nutzers in Räumen ist die sich einstellende Temperaturen an den Oberflächen des Raumes. Nach DIN EN 7730 lässt sich die Behaglichkeit abschätzen und dieser Zusammenhang in Abhängigkeit von der Innenlufttemperatur und der Temperatur an den Bauteiloberflächen darstellen. Grundsätzlich werden erhöhte Oberflächentemperaturen dann als behaglich empfunden, wenn die Raumlufttemperatur geringer ist oder in der Umkehrung: Erhöhte Oberflächentemperaturen werden vor allem bei erhöhten Raumlufttemperaturen als unbehaglich wahrgenommen.
Die Grafik in Bild 7 soll diese verdeutlichen. So werden bei einer Raumlufttemperatur von +20°C, Oberflächentemperaturen von bis zu +30°C als noch behaglich empfunden. Erhöht sich die Raumlufttemperatur auf +24°C, werden Oberflächentemperaturen > + 25°C bereits als wenig bis unbehaglich erfasst. Temperaturen der Raumluft von über +24°C sind vor allem im Sommerfall und ohne Kühlung ein Thema.

Behaglichkeit und Oberflächentempertatur

Bild 7: Behaglichkeit in Abhängigkeit von der Innenlufttemperatur und der Temperatur an den
Bauteiloberflächen darstellen.

Im Vergleich zu den Messreihen ohne Beschattung der Fassade im Mai und Juni 2013 unterstützt die Verwendung des außen liegenden Sonnenschutzes die Behaglichkeit im Raum durch eine erhöhte Temperaturdifferenz zwischen Außen- und Innenklima. Stellte sich dieses ∆T außen – innen ohne Beschattung anfänglich noch bei 3 K ein, erhöhte sich die Differenz auf bis zu 9 K und mehr bei Verwendung eines außen liegenden Sonnenschutzes.

Die maximale Innenlufttemperatur

  • mit Sonnenschutz lag bei + 26°C (Außenlufttemperatur von + 35°C)
  • ohne Sonnenschutz lag bei +32°C (Außenlufttemperatur von +34.5°C)

In beiden Fällen ohne Nachtlüftung oder sonstige Kühlung des Raumes.

Messreihe 02 u 06 August 2013 Ta Ti

Bild 8.1: Messreihe 02.-06.August 2013 – Verlauf der Außen- und Innenlufttemperatur

Die Verwendung der integrierten Fenster (effektiver aerodynamischer Querschnitt, gesamt: 0,2 m²) zur Nachtlüftung hatte im Messzeitraum die Innenraumlufttemperatur um 4K zwischen Tag- und Nachtfall reduziert und wurden die Fenster geschlossen gehalten, reduzierte sich die Raumlufttemperatur in der Nacht nur um 2K gegenüber dem Fall „Tag“.

Messreihe 02 u. 06 August 2013 Pfosten 5 ohne PCM

Messreihe 02.-06.August 2013 – Verlauf der Lufttemperatur im Pfosten 5 ohne PCM

 

Im Messaufbau wurde der Pfosten 5 nicht mit PCM gefüllt, um hier die Temperaturen so zu untersuchen, wie sie bei jeder üblichen Pfosten-Riegel-Fassade auch auftreten können. Die Temperaturen der Luft im Pfosten, wie an der zum Raum hin orientierten Oberfläche zeigten nahezu dieselben Werte.
Fall 1: Fenster und der Sonnenschutz geschlossen folgten diese Temperaturen am Pfosten 5

  • bei Tag der Außenlufttemperatur mit einem ∆T von bis zu 3K.
  • bei Nacht der Innenlufttemperatur mit einem ∆T von bis zu 2K.

Fall 2: Fenster in Kipp-Stellung und der Sonnenschutz geschlossen folgten diese Temperaturen am Pfosten 5

bei Nacht der Außenlufttemperatur mit einem ∆T von 0 K bis zu 2K.

Messreihe 02 u. 06 August 2013 Pfosten 3 mit PCM

Bild 8.3: Messreihe 02.-06.August 2013 – Verlauf der Lufttemperatur im Pfosten 3 mit PCM

Der mit PCM gefüllte Pfosten 3 zeigt das Verhalten eines Bauteils mit eigener thermischer Speicherfähigkeit. Auch bei Außentemperaturen von +35°C ergibt sich die PCM-Temperatur im Profil zu gerade einmal +26°C. Pfosten 5 ohne PCM erzielt hier eine Temperatur von + 32°C zum gleichen Messzeitpunkt. Auch zeigt der Temperaturverlauf, dass die Temperatur im Bereich PCM zwischen +26°C und +20°C schwankt, abhängig davon, ob das Fenster geöffnet oder geschlossen, es Tag oder Nacht ist und welche Außenbedingungen herrschen. Der Pfosten 5 schwankt hier zwischen +32 °C und + 19°C. Die Temperatur auf der zum Raum hin orientierten Oberfläche des Pfostens 3 erreichte einen maximalen Wert von +28°C (Außenlufttemperatur +33°C). Jene des Pfosten 5 lag hier bereits bei + 32°C.

Messreihe 02 u.06 August 2013 Pfosten 3-5 Fußpunkt

Bild 8.4: Messreihe 02.-06.August 2013 – Verlauf der Temperatur im Pfosten 3 und Pfosten 5 – Fußpunkt der Fassade

Messreihe 02. - 06. August 2013 Pfosten 3-5 Kopfpunkt

Bild 8.5: Messreihe 02.-06.August 2013 – Verlauf der Temperatur im Pfosten 3 und Pfosten 5 – Kopfpunkt der Fassade.

Zwischen dem Bereich des Fuß- und Kopfpunktes der eingeschossigen Fassade stellt sich beim Pfosten 3 (mit PCM) ein Unterschied von 2K ein. Gemäß der üblichen Temperaturschichtung in Gebäuden ist der Kopfpunkt um diesen Betragsunterschied wärmer als der Bereich des Fußpunktes im Zeitraum der Messung. Der Einfluss der Nachtlüftung auf die Temperatur am PCM ist am Fußpunkt größer als am Kopfpunkt der Fassade. Auch dies ist durch die Durchströmungssituation am DK-Fenster bedingt, da im oberen Bereich des Fensters in Kippstellung warme Innenraumluft nach außen lüftet und über den unteren, seitlichen Bereich kühle Außenluft nach strömt.

Die Lufttemperatur im Pfosten 5 (ohne PCM) unterscheidet sich nur unwesentlich zwischen Kopf-und Fußpunkt.

Zusammenfassung:   Ein Hauptaspekt der Untersuchung und messtechnischen Begleitung ist die Fragestellung, ob Phasenwechselmaterialien in Fassaden überhaupt wirksam werden. Sonstige, allgemein zur Verfügung stehende Forschungen wurden nicht für diesen Fall „Einschub in die Rahmenstruktur der Gebäudehülle“ durchgeführt, Erfahrungen in der Industrie liegen hier nicht hinreichend vor. Die insgesamt 3 Messreihen zeigen, dass mit PCM gefüllte Profile der Pfosten-Riegel-Fassade:

  • Eine thermische Speicherfähigkeit erhalten, was diese vorher und ohne PCM nicht hatten.
  • Das darin enthaltene PCM gänzlich vom Festzustand über die Latent-Phase in den Flüssigzustand überführt wird und dies reversibel.
  • Die Kühle der Nacht durch natürliche Lüftung in den Tag überleiten können = Kühlfall.
  • Geringe Schwankungen der Oberflächentemperaturen auftreten.
  • Sich behaglichere Oberflächentemperaturen einstellen können.
  • Die Raumlufttemperatur beeinflussen.

Berechnungen zum Einfluss dieser PCM gefüllte Profile ergeben für den untersuchten Aufbau und die untersuchte Raumgeometrie:

  • Im Kühlfall (= i. d. R. Sommer) eine geringer Raumlufttemperatur von 0.5 bis 1.5 K, was einer Energieeinsparung für Kühlung von 5 bis 15% entsprechen kann.
  • Im Heizfall (= i. d. R. Winter) eine Energieeinsparung für Heizung von bis zu 5%

Zukünftige Optimierungen ergeben sich im Bereich des wirksamen aerodynamischen Querschnittes der Öffnungseinheiten zur natürlichen Belüftung und dem Zusammenspiel zwischen Wärme- und Kältebedarf des Innenraumes, der gestaffelten Speicherfähigkeit und Menge des Phasenwechselmaterials sowie der Sonnenschutzeinstellungen.

Die bis dato erfassten Resultate können Sie in der Zusammenfassung in der Rubrik ai3 lab aus dem Download Center nachlesen:  www.ai3ing.de/#Downloads

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