Oberschwingungen Kapitel 2: Quellen für Oberschwingungen

6 Themen um Oberschwingungen und Netzqualität in Stromversorgungsnetzen

Autor: Alexander Kamenka

Inhalt des 2. Kapitels – Quellen für Oberschwingungen:

  • Einführung
  • Oberschwingungserzeuger mit magnetischem Eisenkern
  • Transformatoren
  • Generatoren und Motoren
  • Lichtbogenöfen und -schweißssanlagen
  • Leistungselektronik und elektronische Geräte
  • Schaltnetzteile
  • Frequenzumrichter
  • Geschäfts- und Wohnhäuser

Einführung

Oberschwingungsströme sind im Prinzip eine Folge des nichtlinearen Verhaltens von elektrischen Geräten. In Stromversorgungssystemen gibt es zahlreiche Quellen für Oberschwingungsströme und die damit verbundenen Oberschwingungsspannungen. Sie unterscheiden sich in ihrer Größe (wenige KVA bis hin zu mehreren MVA) und Bedeutung. Früher gehörten Geräte mit magnetischem Eisenkern, wie Transformatoren, Generatoren oder Elektromotoren, zu den wichtigsten Erzeugern von Oberschwingungen, ebenso wie Lichtbogenöfen und -schweißanlagen.

Heute muss auch der Bedarf an energieeffizienten Geräten erfüllt werden, und so gelten die Leistungselektronik und die zugehörigen Anlagen als wichtigste Quelle für Oberschwingungen. Neben herkömmlichen Lasten in industriellen Anwendungen mit Anlagen, die Oberschwingungen erzeugen, sind heute auch Geschäfts- und Wohnhäuser ernstzunehmende Quellen für Oberschwingungen. Dies gilt besonders dann, wenn man die Auswirkungen aller Einzellasten, die von derselben Stromversorgung gespeist werden, in der Summe betrachtet.

Die Oberschwingungsspektren dieser nichtlinearen Lasten sind unterschiedlich, lassen sich jedoch mit etwas Erfahrung und Fachwissen identifizieren. Daher sollte man sich mit den Charakteristika der verschiedenen Kurvenverzerrungen, die durch bestimmte Oberschwingungsquellen erzeugt werden, befassen. Diese Kenntnis ist unabdingbar, wenn Methoden zur Reduzierung oder Beseitigung von Oberschwingungen eingeführt werden sollen. Die nachfolgenden Kapitel geben einen kurzen Überblick über die wichtigsten Erzeuger von Oberschwingungen.


Oberschwingungserzeuger mit magnetischem Eisenkern

Transformatoren

Das Verhältnis zwischen der Primärspannung und dem Strom eines Transformators ist als Magnetisierungskurve bekannt. Diese Kurve ist erkennbar nichtlinear, besonders im Sättigungsbereich. Ein Transformator stellt somit bei normalen Arbeitsbedingungen keine ernste Quelle für Oberschwingungen dar. Bei einem Transformator im Kernsättigungszustand steigt jedoch der Oberschwingungsgehalt erheblich und weist verschiedene ungerade Oberschwingungen auf, wobei die dritte dominant ist.

Dieser Zustand kann im Betrieb oberhalb der Nennleistung (gewöhnlich während Belastungsspitzen) oder oberhalb der Nennspannung auftreten, wenn die Spannung den Nennwert überschreitet (meist unter Teillastbedingungen), oder durch das Schalten großer Blindleistungslasten (PFC) verursacht werden.

Die Ursache für den höheren Oberschwingungsgehalt im Sättigungsbereich lässt sich leicht anhand der Magnetisierungskurve eines Transformators wie in Abbildung 1 dargestellt erkennen. Ein leichter Spannungsanstieg um den nominellen Betriebspunkt des Transformators verursacht einen leichten Anstieg des Magnetisierungsstroms. Liegt die Spannung aber über der Nennspannung, führt schon ein leichter Anstieg zu einem hohen Anstieg des Magnetisierungsstroms.

Magnetisierungskurve eines Transformators

Abb. 1: Magnetisierungskurve eines Transformators


Generatoren und Motoren

Motoren können wie Transformatoren Oberschwingungen erzeugen, da auch sie ein Magnetfeld aufbauen müssen. Die Magnetisierungskurve eines Motors ist tatsächlich linearer als die eines Transformators; daher ist ihr Oberschwingungsgehalt nicht von Bedeutung. Nur sehr große Motoren können mäßige Oberschwingungen erzeugen.

Generatoren erzeugen aufgrund der räumlichen Verteilung der Statorwicklungen wahrnehmbare Spannungsoberschwingungen, weil eine andere Anordnung der Wicklungen kaum praktikabel und v.a. nicht wirtschaftlich wäre. Generatoren erzeugen in der Regel eine dominante Spannungsoberschwingung der 3. Ordnung, was zu Stromoberschwingungen der 3. Ordnung führt.


Lichtbogenöfen und -schweißanlagen

Die meisten Lichtbogenöfen und -schweißanlagen verbrauchen sehr viel Leistung. Dies sowie ihre nichtlineare Strom-Spannungs-Charakteristik sind die Ursache für eine erhebliche Oberschwingungsverzerrung, die an einem „normalen“ Verknüpfungspunkt mit „normaler“ Kurzschlussleistung noch gravierender ist. Aus technischer Sicht arbeiten Lichtbogenöfen in verschiedenen Phasen (Schmelzen, Frischen, Affinieren) mit unterschiedlichen Oberschwingungspegeln.

Darüber hinaus kommt es aufgrund von zufälligen Änderungen des Lichtbogens zu Zündverzögerungen und Spannungsschwankungen. Diese technischen Gegebenheiten führen zu einem relativ ungewöhnlichen Oberschwingungsspektrum mit geraden und ungeraden Vielfachen der Grundfrequenz. Zudem steigen und sinken diese Frequenzen sehr schnell.

Oberschwingungsstromspektrum eines Lichtbogenofens

Abb. 2: Oberschwingungsstromspektrum eines Lichtbogenofens


Leistungselektronik und elektronische Geräte

Schaltnetzteile

Schaltnetzteile finden sich in den meisten modernen Elektrogeräten. Die Bezeichnung leitet sich vom DC-DC-Schaltgleichrichter ab, der die ungeregelte Eingangsgleichspannung in eine geregelte Ausgangsgleichspannung wandelt. Wie schon die älteren linearen Netzteile wandeln auch Schaltnetzteile ungeregelte AC- oder DC-Eingangsspannung in eine geregelte DC-Ausgangsspannung.

Wenn die Versorgung über das Wechselstromnetz erfolgt, wird die Spannung zunächst mithilfe eines Kondensators am Gleichrichterausgang gleichgerichtet und gefiltert. Dieser Ansatz ist hinsichtlich Größe, Gewicht und Kosten sehr wirtschaftlich und eignet sich für nahezu jede Applikation.

Der wesentliche Unterschied zu älteren linearen Netzteilen ist, dass Schaltnetzteile Stromimpulse statt Dauerstrom aufnehmen. Diese Impulse enthalten große Anteile an Oberschwingungen der dritten Ordnung oder höher. Eine typische Kurvenform und das daraus entstehende Oberschwingungsspektrum sind in Abb.3 dargestellt.

Kurvenformen und Oberschwingungsspektrum eines Schaltnetzteils

Abb. 3: Kurvenformen und Oberschwingungsspektrum eines Schaltnetzteils


Frequenzumrichter

Frequenzumrichter verwenden statische Gleichrichter basierend auf einer dreiphasigen Brücke. Diese wird auch als sechspulsige Brücke oder kurz B6-Brücke bezeichnet. Die gleiche Technologie findet auch in USV-Geräten oder AC/DC-Wandlern Anwendung, z.B. in Solarinvertern.

Die Bezeichnung B6 leitet sich ab von den sechs Spannungsimpulsen je Zyklus, d.h. ein Impuls je Halbzyklus je Phase. Da das Oberschwingungsspektrum gewöhnlich in Bezug zu der Pulszahl der nichtlinearen Last steht, erzeugt eine B6-Brücke Stromoberschwingungen der 6n + 1 Ordnungen, also 5. und 7., 11. und 13., 17. und 19. etc., d.h. sogenannte Paare mit Vielfachen von 6 plus oder minus 1. Wie bereits erläutert, hängt das Oberschwingungsspektrum von der Pulszahl ab.

Demnach ergeben sich unterschiedliche Oberschwingungsspektren, wenn ein 12- oder ein 18-Puls-Gleichrichter verwendet wird. Tabelle 1 stellt diesen Zusammenhang dar. Abbildung 4 zeigt eine typische Kurvenform sowie das resultierende Oberschwingungsspektrum eines Frequenzumrichters.

Pulse und Oberschwingungsspektren
Tab. 1: Pulse und Oberschwingungsspektren
Kurvenformen und Oberschwingungsspektrum eines B6-Frequenzumrichters
Abb. 4: Kurvenformen und Oberschwingungsspektrum eines B6-Frequenzumrichters

Geschäfts- und Wohnhäuser

Nach einer Studie der Europäischen Union werden ca. 40 % der gesamten produzierten elektrischen Energie für die Versorgung von Wohn- und Geschäftshäusern genutzt. Dazu zählen Appartements, Bürogebäude, Krankenhäuser, Hotels, Theater, Schulen und Sportanlagen.

Die Systeme und Ausstattungen mögen sich von Gebäude zu Gebäude unterscheiden, aber all diese Infrastrukturen haben eines gemeinsam: Die effiziente und bedarfsgerechte Energienutzung ist sowohl ökologisch als auch ökonomisch ein absolutes Muss.

Die Schonung von Ressourcen und der Umwelt hat mittlerweile denselben hohen Stellenwert wie die technische Zuverlässigkeit von Geräten, Anlagen und Systemen. Solche Ziele können durch die Nutzung von modernen Produkten der Gebäudesystemtechnik erreicht werden, z.B. Dimmer, Timer, Bewegungs- und Präsenzmelder, Schalter, Thermostate, Heizungssteuerungen, drehzahlgeregelte Antriebe für HLK-Anlagen, Pumpen, Lüfter und Motoren, unterstützt durch intelligente und vernetzte Raum- und Gebäudesteuerung.

Eine positive Energiebilanz kann aber nur dann gezogen werden, wenn auch die Rückwirkungen der eingesetzten Systemtechnik weitestgehend kompensiert werden. Das heißt, es werden Produkte und Lösungen benötigt, die zuverlässig und effizient mit den komplexen Mischlasten der Gebäudetechnik umgehen können. Die typischen Lasten in der Gebäudetechnik sind Heizungs-, Lüftungs-, Klimatechnik (HLK-Technik), Innen- und Außenbeleuchtung, Kommunikationstechnik (Telefon, Faxgeräte, Netzwerktechnik), Lift- und Aufzugstechnik, Rolltreppen, Büromaschinen (Computer, Monitore, Kopierer), Gebäudeautomatisierungs-systeme, Medizintechnik, audiovisuelle Entertainmentsysteme sowie Sicherheitssysteme (Einbruch, Feuer, Rauch, Gas und Wasserschaden).

Die Folge sind komplizierte Mischlast-Verhältnisse, da verschiedenartige und zahlreiche Quellen immer mehr Oberschwingungsspektren erzeugen, die weder eindeutig noch einfach zu analysieren sind. Der zunehmende Einsatz empfindlicher Elektronikprodukte – Computer, Multimedia oder Digitalkommunikation – macht diese Problematik noch komplexer. Nicht zuletzt muss auch die gesamte Bandbreite der erneuerbaren Energien betrachtet werden. Photovoltaik, Wind oder Erdgas spielen bereits eine wichtige Rolle hinsichtlich des Leistungsbedarfs in Gebäuden und ver-ursachen ihrerseits selbst eine Zusatzbelastung durch Oberschwingungen.


Quellen:

  • Phipps, Clarence A., Variable Speed Drives Fundamentals, Prentice Hall, 1999
  • Baggini, A., Handbook of Power Quality, Wiley, New York, 2008.
  • Arrillaga, J. and Watson, N., Power Systems Harmonics, 2nd ed., Wiley, New York, 2003.
  • Schaffner Gruppe, Clean Grids for modern buildings, Luterbach, 2012

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