Nutzung von funktionalen Mockups zur Absicherung von innovativen Fassaden- und Versorgungskonzepten

Überprüfung und Optimierung von Funktion und Behaglichkeit im Vorfeld der Umsetzung am realen Bauvorhaben

Überprüfung und Optimierung von Funktion und Behaglichkeit im Vorfeld der Umsetzung am realen Bauvorhaben

Innovative Fassaden beruhen auf einer technologischen Disziplinen kombination aus Metallbau, Glaswesen, Leichtbau, Maschinenbau, Haustechnik etc. mit hohen bauphysikalischen Anforderungen. Dies stellt sowohl Planer als auchAusführende vor immense Herausforderungen, da die unterschiedlichsten Fachdisziplinen zusammenzuführen sind. Inden meisten Fällen werden diese nicht von nur einem einzelnen Fachplaner oder einem ausführenden Bauunternehmen beherrscht. Trotz dieser Systemkomplexität wird auch bei hohen Objektsummen vor der Fertigung häufig keine ausreichende funktionale Qualitätskontrolle eingesetzt, lediglich die ästhetische Bemusterung vor Ort findet regelmäßig statt. Komplexe Fassaden übernehmen diverse ? eben nicht nur ästhetische? Funktionen, wie Wetterschutz, Sicherstellung der Raumbehaglichkeit, Belüften, Beleuchten sowie thermischeund/oder elektrische Energieerzeugung. Um dieser Komplexität mit ihren Risiken (auch finanzieller Art, u.a.in Wartung und Betrieb) zu begegnen, werden funktionale Modelltests benötigt, so dass der Bauherr ausreichende Sicherheit über die Funktion der bestellten Fassade erlangt.Darüber hinaus erleichtert ein vorheriger Test im Bereich der Gebäudetechnik die spätere Inbetriebnahme und schützt vor Überraschungen, d.h. im Idealfall wird das Gebäude in Betriebgenommen und das Zusammenspiel der einzelnen Komponentenfunktioniert auf Anhieb, ohne dass im laufenden Betrieb nochgroße Nachbesserungen vorgenommen werden müssen. Dennimmerhin werden rund 15 bis 25 % der Baukosten bei Großprojekten(> 25 Mio. ? Bausumme) in das Gewerk Fassade investiert.2 bis 5 % dieser Investitionen sind Fachplanungskosten,worunter auch die „Fachtechnische Begleitung von Bemusterungen und Prüfungen“ fällt. Im Rahmen dieser Position/Tätigkeitsollte die technisch-funktionale Bemusterung implementiert werden, welche derzeit jedoch nur sehr selten für diese Zielsetzung durchgeführt wird. Mit seinen Kompetenzen und Versuchseinrichtungen kann das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP in Holzkirchen solche Bemusterungen unter Realbedingungenvornehmen, für welche es derzeit keine standardisierten und etablierten Testverfahren gibt. Im Folgenden werden die Möglichkeiten und die resultierenden Vorteile anzwei Beispielen einer Fassadenbemusterung an der Versuchseinrichtung für Energetische und Raumklimatische UntersuchungenVERU (Abb.1) des Fraunhofer IBP dargestellt.


NEUBAU FESTO AG IN ESSLINGEN „AUTOMATIONCENTER“ (TEST- UND VALIDIERUNGSMESSUNG)
Am Standort der Firmenzentrale des Unternehmens Festo AG in Esslingen wurde mit dem „AutomationCenter“ ein neues Bürogebäude mit einer innovativen Fassadentechnologie, einer sogenannten Abluftfassade, geplant und vor der Ausführungam realen Objekt einem MockupTest unterzogen. Zur Minimierung der im Raum wirksam werdenden solaren Lastenwurde die einschalige Fassade mit vollflächiger Sonnenschutzverglasungund einem innenliegenden Blend- und Sonnenschutzscreen ausgeführt. Bei dieser Konstruktionsvariante wird die Abluftaus dem Raum über den Spalt zwischen Screen und Verglasung, hier durcheine Absaugung im Bereich des Doppelbodens, abgeführt. Hierdurch soll ein Großteil der solar eingebrachten und am Screen bzw. der Verglasung absorbierten Wärme über den Abluftvolumenstrom unmittelbar wieder abgeführt werden, bevor sie im dahinterliegenden Büroraum wirksam werden kann ( Diagramm 1). Die Richtung des Abluftvolumenstroms von oben nach unten (entgegen der Thermik) wurde gewählt, um eine möglichst turbulente Luftströmung im Bereich des Spaltes zwischen Screen und Verglasung zu erreichen. Es wurde erwartet, dass hierdurch eine höhere Wärmeübertragungsleistung von den solar erwärmten Oberflächen von Screen und Verglasung an die vorbeiströmende Abluft erreicht wird. Des Weiteren sind unmittelbar vor dem Screen Ventilatorkonvektoren mit Primärluftzuführung(konstanter Zuluftvolumenstrom) und Heiz-/Kühlfunktion in den Doppelboden integriert. Darüber hinaus beinhaltet das TGA-Konzept zusätzliche Quellluftauslässe im hinteren Bereich des Raumes und eine Flächenkühlungmittels Betonkernaktivierung (BTA). Beide Komponenten ( Quellluftauslassund BTA ) waren nicht Gegenstand der Untersuchungen und wurden deshalb im Versuchsraum nicht umgesetzt. Zum Nachweis der Funktionsfähigkeitdes Fassaden-/Lüftungskonzeptes wurde an der Versuchseinrichtung für energetische und raumklimatische Untersuchungen „VERU“ ein Versuchsraum mit einer Mockup-Fassade ( inkl.Lüftungskonzept ) im Maßstab 1:1 eingerichtetund unter realen Witterungsbedingungen messtechnisch untersucht. Der Einbau erfolgte in die Südfassade des Versuchsgebäudes (Abb. 2 und Abb. 3).

METHODE
Die Untersuchungen am funktionalen Mockup adressierten die bestimmungsgemäße Funktion der Abluftfassade.Hierbei sollten folgende Fragestellungen geklärt werden:

  • Bestimmung der Wärmeentzugsleistung der Abluftfassade.
  • Findet eine Rückströmung der erwärmten Luft aus dem Zwischenraum Screen/Verglasung in den dahinterliegenden Büroraumstatt?
  • Bildet sich eine homogene Kolbenströmung( von oben nach unten ) zwischenScreen und Verglasung aus?
  • Welche raumseitigen Oberflächentemperaturenstellen sich am Screen ein und welche Auswirkung hat dies auf das thermische Raumklima?

Bewertungen hinsichtlich des Kunstlichtbedarfs, der Tageslichtversorgungund des Blendverhaltens waren in diesem Projekt nicht Teil der Untersuchungen, können aber in den funktionalen Mockup-Tests typischerweise ebenfalls mit betrachtet werden. Untersucht wurden zwei unterschiedliche Verglasungsarten sowie neun verschiedene Screenmaterialien (Variationin Material, Beschichtung, Farbe und Perforation). Die dabei erzielten Messdatenwaren für alle Planungsbeteiligten über einen gesicherten Zugang zum Messwerterfassungssystem Imedas TM (einer Eigenentwicklung des FraunhoferIBP) verfügbar. Mit dieser Software werden die Messdaten und die einzelnen Regelungsparameter erfasst. Über Webbrowser kann der Zugriff auf die Datenbank, die Auswerteoberflächen und die Prozessvisualisierung aufgerufen werden. Weiterhin wurden dem Planungsteam Videos der durchgeführten Nebelversuche, die Thermogrammeder raumseitigen Screenoberfläche unddie tabellarische Zusammenfassung der Messergebnisse zur Verfügung gestellt.